Therapie

Aktueller wissenschaftlicher Kenntnisstand zum Erschöpfungssyndrom ME/CFS

© Sergej Preis und Deutsche Gesellschaft für ME/CFS

Dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zufolge waren in Deutschland bereits in der Zeit vor der Corona-Pandemie geschätzte 140.000 bis 310.000 Patient*innen von ME/CFS betroffen. Die Anzahl der Erkrankten dürfte sich noch weiter erhöht haben, da ein Teil der Long COVID-Patient*innen die Kriterien für eine ME/CFS-Diagnose erfüllt. Eine genaue Schätzung der Zahlen ist aufgrund fehlender Daten aktuell noch nicht möglich.

ME/CFS wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 1969 als neurologische Krankheit klassifiziert. Zu den Merkmalen der Erkrankung gehört, dass sie bislang nicht eindeutig mittels Biomarker diagnostiziert werden kann und ihre Ursachen nach wie vor nicht geklärt sind. Die Diagnose kann bisher lediglich anhand von sehr unterschiedlichen Symptomen gestellt werden. Als häufigste Beschwerden treten starke Erschöpfung (Fatigue), Schmerzen sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen in Erscheinung. Ein Leitsymptom der Erkrankung ist eine Belastungsintoleranz, die sogenannte Post-Exertional Malaise (PEM).

Zu möglichen Vor- und Nachteilen von Behandlungsoptionen sind laut IQWiG nur wenige Aussagen zu treffen. In dem vorliegenden Bericht wird ausgeführt, dass sich lediglich zur kognitiven Verhaltenstherapie und zur Aktivierungstherapie in je zwei Studien statistisch signifikante positive Effekte gegenüber einer ärztlichen Standardversorgung zeigen.

Demzufolge bietet die kognitive Verhaltenstherapie bei leicht erkrankten Patient*innen einen kurz- und mittelfristigen Nutzen und hilft ihnen, mit der Krankheit etwas besser umgehen zu können. Unter der Aktivierungstherapie ist eine schrittweise Erhöhung der körperlichen Aktivität zu verstehen. Beide Studien zeigen für Betroffene mit leichter bis moderater ME/CFS zwar statistisch signifikante, aber im Mittel nur kleine Vorteile gegenüber der Standardtherapie. Zudem bleibt die klinische Relevanz der meisten Aktivierungseffekte nach wie vor fraglich.

In der Anhörung zum Vorbericht wurde seitens mehrerer Stellungnehmender darauf hingewiesen, dass Patient*innen mit ME/CFS nach Therapien, die eine Steigerung der körperlichen Aktivität beinhalteten, über Zustandsverschlechterungen berichteten. Unklar ist, ob diese Verschlechterungen nach sachgemäßen Anwendungen einer Aktivierungstherapie oder nach anderen Behandlungen zur Steigerung der körperlichen Aktivität aufgetreten sind.

Zusammenfassend stellt das IQWiG fest, dass die in den Studien erhobenen Daten nicht aussagekräftig genug sind, um einen Nachteil durch schwerwiegende Nebenwirkungen der Aktivierungstherapie auszuschließen. Daher ist eine verlässliche Abwägung von Nutzen und Schaden für leicht bis moderat Erkrankte derzeit nicht möglich. Für Betroffene mit höherem ME/CFS-Schweregrad liegen keine geeigneten Studiendaten vor.

Weiterführende Informationen:
https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_93184.html

Abschlussbericht:
https://www.iqwig.de/projekte/n21-01.html

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